Angefangen hat diesmal alles mit einem Bild.

Bei einer Surf-Session mit “bikepacking” Suchbegriff stolperte ich über ein Bild. Auf dem Bild: ein Bikepacker, eine verlassene Schotterstraße, Zelt-geeignete Wiesen und spitze Berge, wie wir sie noch nicht gesehen hatten.

Die Google Bilder-Rückwärtssuche führte schnell zum Ursprung dieser verlockenden Darstellung: ein Tweet, inklusive der relevanten Informationen.

Peru, Huayhuash, 4800m… ein wenig weiteres Gestöbere online und es war schnell klar: Da müssen wir mal hin!

Mit nur einem Monat zu den Sommerferien blieb uns allerdings nicht viel Zeit solch eine große Reise zu planen. Der Rad- und Wanderreiseführer der Pikes (https://blancahuayhuash.com), zu dieser Region der Anden, erwies sich als somit als große Hilfe.

Nach etwas Hin und Her waren die teuren Flugtickets gebucht und die Aufregung groß – wir fliegen nach Peru, unsere Mountainbikes und Campingausrüstung im Gepäck.

3 1/2 Wochen hatten wir Zeit um die Anden Gebirgszüge, Cordillera Blanca und Cordillera Huayhuash, zu beradeln.


Ankommen

Abends angekommen in Lima, nahmen wir gleich am nächsten Morgen den Bus raus aus der Millionenstadt in die Anden-Stadt Huaraz. 8h Stunden schlängelten wir uns die Serpentinen rauf um dann in Huaraz, auf 3000m ü. NN, unsere Unterkunft für die nächsten Tage zu beziehen. Hier wollten wir uns ein wenig auf die Höhe eingrooven, denn es war klar, dass wir die über 4000m hohen Pässe unserer geplanten Route nicht ohne Akklimatisierung angehen können.

So erkundeten wir zuerst einmal zu Fuß die Stadt und waren sofort begeistert von Huaraz. Wenig touristisch bot sich hier ein farbenfrohes Getummel, das wir bei ausgiebigen Schlender-Runden über die Märkte bestaunten.


Tag 1

Nach unseren Erkundungstouren in und um Huaraz ging es dann endlich los. Der Plan war es den Huascaran Circuit zum “Aufwärmen” zu nutzen, bevor wir uns die Huayhash Durchquerung vorknöpften. Der Huascaran Circuit ist eine, von den Pikes in ihrem Buch beschriebene Route, die einmal um Peru’s höchsten Berg herum führt. Die Tour verläuft auf Strassen, teilweise geteert und teilweise geschottert. Es gilt 3 Pässe zu überwinden und man kommt immer wieder durch kleine Dörfer. Für die 280km lange Runde nahmen wir uns 8 Tage Zeit. “Ein entspannter Start für unsere Anden-Tour”, dachten wir uns.

Zunächst fuhren wir von Huaraz nach Carhuaz, von 3000m auf 2500m hinab. Dort beginnt der Anstieg zur Punta Olimpica, dem ersten richtigen Pass. Wir verbrachten den Tag, im Versuch die befahrene Hauptstraße zu meiden. Es ging durch verschlafene Dörfer und über staubige Schotterpisten. Das aufgezeichnete Sägezahn-Höhenprofil verriet uns dann warum wir eigentlich so platt waren, als wir in Carhuaz ankamen.


Tag 2

Von Carhuaz nahmen wir nun die Straße zur Punta Olimpica, dem höchsten Tunnel der Welt. Wir hatten uns entschieden die Umrundung des Berges gegen den Uhrzeigersinn vorzunehmen, da in diese Richtung der erste Pass noch auf einer asphaltierten Straße zu erreichen ist. Nichtsdestotrotz stand uns ein 52km langer Anstieg zuvor.

Da wir eine der Grundregeln zur Vermeidung der Höhenkrankheit nicht direkt brechen wollten suchten wir uns einen Platz zum zelten der nicht mehr als 500m höher als unser Startpunkt liegt. Somit schafften wir an diesem Tag nicht allzu viele Kilometer auf dem Rad und machten noch einen “kleinen” Abendspaziergang. Dieser führte uns hinauf zur Laguna Auquiscocha, einem Bergsee auf 4300m Höhe. Zum See schafften wir es gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang und machten dann den Abstieg zu unserem Zeltplatz im Dunkeln.


Tag 3

An diesem Tag hatten wir geplant über den Punta Olimpica Pass zu fahren. Von unserem Zeltplatz auf 3700m Höhe machten wir uns auf den Weg mit der Ambition die alte Passstraße, die bis auf 4900m hoch führt, zu bezwingen. Als wir an der Rangerstation des Huascaran Nationalparks ankamen, und wir einen ersten Blick auf die Passstraße bekamen, wurden wir uns allerdings unsicher in unserem Vorhaben. Wir kamen ohnehin nur langsam voran und das Wetter sah alles andere als gut aus. Da wir anfingen mit einem zusätzlichen Tag für die Überquerung des Gebirgszugs zu rechnen, kam es uns gelegen, dass es an der Station noch etwas zu essen gab. An dem kleinen Fenster der Hütte dort wurde mir auch promt ein voller Teller hingehalten. Das krosse Stück Fleisch darauf, so wurde mir schnell bewusst, war wohl die Flanke des hier heimischen Nagers – “Cuy picante” ist eine Delikatesse in Peru. Mit ein paar spanischen Wortbrocken und etwas Gestikulation konnte ich dann für Katrin statt Meerschwein gekochte Eier erwerben.

Nach unserem Pit-Stop an der Kontrollstation fuhren wir dann noch ein paar weitere zähe Kilometer die sanft ansteigende Straße hinauf. Der Wind, der vom Pass her wehte, zog noch mal richtig Energie und wir beschlossen noch vor den Serpentinen zu zelten, auf etwa 4000. Da es erst 3 Uhr nachmittags war legten wir uns, platt wie wir waren, zuerst einmal auf die Wiese und kochten uns einen Coca-Tee. Allerdings bekamen wir schon nach kurzer Zeit Besuch: ein paar sehr neugierige Kühe kamen an, glotzten und schnupperten. Da ich (irrationalerweise) etwas Kuh-Paranoia habe, zogen wir eine logische Konsequenz aus der Kuh-Präsenz: ein Zaun musste her. Somit verbrachten wir den Nachmittag mit Tee trinken und Zaun bauen.


Tag 4

Die Nacht auf der Kuhwiese verbrachten wir weitestgehend schlaflos. Allerdings nicht wegen der Eutertiere, sondern weil wir beide mit rasendem Puls da lagen. Als Ursache kann man nun die Höhe, den Vollmond, die Knoblauchsoße zu den Kontrollstation-Kartoffeln oder eine Kombination derer in Erwägung ziehen. Wäre es allerdings nicht so gewesen wären wir auch nicht auf die Idee gekommen eine nächtliche Fotosession einzulegen. Ohne unsere Insomnia-Attacke hätten wir vor allem nicht entdeckt wie unglaublich der vom Vollmond beleuchtete Huascaran aussieht und wie klein man sich vor solch einem Giganten fühlen kann.

Am nächsten Morgen wollten wir dann endlich den Pass in Angriff nehmen, doch so unausgeschlafen war uns alles andere als nach einer Höhenmeter-Attacke zumute. Zudem kam, dass es mir (Jakob) echt mies ging, als ob ich eine üble Grippe hätte. Ich wusste die Höhe bekam mir nicht so gut. Es war somit klar, dass wir es entweder über den Pass und auf der anderen Seite wieder runter schaffen mussten, oder wieder den selben Weg den wir gekommen waren zurück fahren müssten. Zurück fahren würde bedeuten, die Umrundung des Huascran aufgeben zu müssen. Also habe ich gekämpft und muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich beim Radfahren noch nie so sehr quälen musste. Mit einer absurden Geschwindigkeit und vielen Pausen schleppte ich mich bis zu dem Tunnel in 4700m hoch, während bei Katrin alles paletti war und sie sich wohl dachte: “Was stellt der sich so an? Da wäre man ja zu Fuß schneller!”.

Endlich am Tunnel angekommen gönnten wir uns noch ein Gipfel-Ei und machten uns dann, dick eingepackt, an die nasse und bitterkalte Abfahrt. Als wir in Chacas einrollten ging es mir schon wieder besser, doch wir waren beide einfach platt und nahmen uns ein Zimmer direkt am Dorfplatz.


Tag 5

Mit neuen Lebensgeistern konnten wir, nach der Nacht in Chacas, die nächste Etappe angehen. Eigentlich sollte dieser Tag nur ein “Transfer” werden, um dann ab Yanama den nächsten großen Pass anzugehen. Wir stellten allerdings bald fest, wie schön es ist, durch die ganzen kleinen Dörfchen und Felder zu fahren, die in diesem Gebiet der Anden über die Hänge verstreut liegen. Es wurde ein Tag voller netter Begegnungen, mit den Bewohnern dieser traumhaften Berglandschaft. Nur haben wir uns geärgert, dass wir ausgerechnet an diesem Tag keine Kaubonbons dabei hatten, denn überall riefen uns Kinder: “Caramelo, Caramelo!!” zu.

Nachdem wir im Sonnenuntergang noch über den, nur 4000m hohen, Pass gekrochen waren zelteten auf einer leicht abschüssigen Wiese nahe Yanama.


Tag 6

Von unserem Premium-Zeltplatz mussten wir nur noch ein paar Kilometer bergab rollen um nach Yanama zu gelangen. Dort konnten wir wieder frisches Futter einkaufen für unser nächstes Projekt, dem Llanganuco Pass. Als wir auf dem Dorf Platz sitzend ein paar Fladenbrote zum Frühstück vertilgten, mussten wir uns allerdings eingestehen, dass wir beide doch irgendwie schlapp sind und Yanama eigentlich ganz schön ist – sehr schön sogar. Praktischerweise bot uns ein Mann, der uns dort müde sitzen sah, eine Unterkunft an, für ganze 25 Soles die Nacht (~5 Eur). Der Entschluss war schnell gefasst: Wir bleiben noch eine Nacht in Yanama, Wäsche waschen stand ja ohnehin mal an.


Tag 7

Mit frischen Socken und frischer Energie konnten wir dann den Llanganuco Pass anpacken. Wir brachen früh auf, denn wir wussten, dass es ein langer Tag werden würde. Die leicht ansteigende Schotterpiste führte uns zuerst vorbei an kleinen Dörfern und durch üppig bewachsene Hänge, doch dann öffnete sich die Vegetation und wir fingen an zu japsen. Man könnte sagen, die Landschaft raubte uns den Atem, doch mit den faszinierenden Ausblicken nährten wir uns wieder mal den höheren Gefilden. Ein etwas spätes Mittags-Picknick, bei dem wir wohl beide ein Brot zu viel gegessen haben, erschwerte dann den weiteren Aufstieg. Es schien als könnte der Körper da oben nur eines, entweder verdauen oder Radfahren. So richtig zäh wurden die letzten 200 Höhenmeter hinauf zu den 4767m, die es zu überwinden galt. Doch als wir endlich einen Blick auf die andere Seite des Passes werfen konnten war jegliche Pein schnell vergessen und wich der Euphorie: uns stand eine grandiose Abfahrt bevor. Der Llanganuco Pass verläuft auf dieser in steilen Serpentinen die sich an die Seite des Berges schmiegen. Der Huascaran und weitere Riesen stehen ringsherum und weichen bei dem Ritt in das Tal nie aus dem Blick. Das Wetter war grandios und unser Timing, diese Abfahrt genau zum Sonnenuntergang zu erreichen, hätte nicht besser sein können. Es folgte ein Genuss-Downhill, nur unterbrochen durch die vielen Fotopausen, die diese wahnsinnige Kulisse forderte.

Als es bereits dunkel war kamen wir an der Laguna Llanganuco an, wo bereits ein paar Zelte von Bergsteigern und Trekkern standen. Wir suchten uns ein abgeschiedenes Fleckchen Gras, kochten noch etwas und schliefen, berauscht von den Eindrücken des Tags, früh ein.


Tag 8

Vom Llanganuco See waren es nur noch 30km nach Yungay, wo unsere Runde um den Huascaran enden sollte. Wir wollten daher den Vormittag nutzen und uns eines der touristischen Highlights in der Cordillera Blanca ansehen: Laguna 69. Wir ließen also unsere Bikes zurück und machten uns auf den Weg, hinauf zu dem blauen See auf 4300m. Obwohl aus der geplanten kleinen Wanderung ein doch eine ernst zu nehmende Tour wurde hatte sich der Aufstieg gelohnt, denn der See hat tatsächlich eine einzigartige Farbe und der Weg dorthin ist nicht minder spannend! Dass wir uns ein wenig sputen mussten, um zurück zu den Bikes und uns auf den Weg nach Yungay machen konnten, war es die Exkursion allemal wert.

Zurück im Sattel und zurück auf der Schotterstraße merkten wir dann allerdings, dass die Zeit ein wenig knapp werden würde bis zum Sonnenuntergang. Es wurden etwas zermürbende letzte Kilometer unserer Aufwärmrunde, vor allem bedingt durch den groben Schotter dieses Straßenabschnitts und den Gegenwind, der natürlich immer dann aufkommt, wenn man Zeitstress hat.

Als wir endlich in Yungay ankamen und die Huascaran Umrundung noch einmal Revue passieren ließen, belachten wir unsere Strapazen, mit Hühnchen, Pommes und Bier.


Fazit

Den Huascaran Circuit als Aufwärmrunde zu nutzen war erfolgreich. Dennoch ist es eher ungewöhnlich zum “Aufwärmen” bis an seine Grenzen zu gehen. Wir hatten jedenfalls einen guten Eindruck von den Anden bekommen und was es bedeutet in über 4500m Fahrrad zu fahren. Man benötigt mehr Energie als in tieferen Lagen, für’s Biken aber auch Grundfunktionen wie verdauen und schlafen! So hatten wir gelernt immer schön “tranquillo” zu machen und vor allem beim Mittagessen nicht zu viel zu essen.

Die Eindrücke von der Runde um den Huascaran bleiben. Obwohl die Strecke “nur” auf befestigten Wegen führt, hat man hin und wieder ein Gefühl von Ausgesetztheit und Abenteuer. Die gigantischen Berge ringsherum und die gewaltigen Pässe, die es zu bezwingen gilt, lassen einem jedenfalls den Atem stocken. Die Begegnungen mit der Bevölkerung dieser Gebirgsregion sind eine schöne Erfahrung, die uns immer wieder zu Überlegungen verleitete, wie es denn wohl wäre hier aufzuwachsen und zu leben.

Eine unglaublich tolle Tour, die auf einer vergleichsweise kurzen Strecke sehr viel zu bieten hat. Wer auch vor hat diese Runde zu fahren darf sich auf einen unvergesslichen Trip einstellen. Nur ein Tipp: Nehmt genug Zeit mit! Möglicherweise gibt es den ein oder anderen ungeplanten Pausentag. Und wenn nicht: Ein Pausentag in Yanama lohnt sich allemal 🙂

  1. Markus Brandl

    Ich habe das Video heute gesehen. Hut ab, fantastisches Abenteuer.

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